Um das Gebäudeenergiegesetz wurde im Frühjahr und Sommer 2023 heftig gerungen, bevor es schließlich im Bundestag verabschiedet wurde – und voraussichtlich am 1.1.2024 in Kraft tritt. Ist das Gesetz in seiner jetzigen Form nur ein fauler Kompromiss?
Dr. Oliver Ruch: Ja und nein. In seiner jetzigen Form wird das GEG nicht ausreichen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Da muss noch deutlich nachgebessert werden.
Es scheint ein gewisses Zähneknirschen in der Branche zu geben.
Dr. Oliver Ruch: Wir sind unzufrieden damit, dass der Technologiepfad schwer zu erkennen ist. Wohin geht die Reise bei den Wärmeanwendungen? Im ersten Entwurf gab es zwei Erfüllungsoptionen, nämlich Wärmepumpen und Anschluss an ein Wärmenetz. Jetzt hat man das wieder etwas aufgeweicht, indem man Wasserstoff und Biomethan ins Spiel gebracht hat. Die Mengen an Wasserstoff und Biomethan werden nicht ausreichen, um sie flächendeckend im Wärmesektor einzusetzen. Durch den Verbleib einiger fossiler Wärmeerzeugungsanlagen im Markt wird das Gesetz weiter aufgeweicht. Das Ziel einer regenerativen Wärmeversorgung ist damit in weite Ferne gerückt. Klimaneutralität 2045 in Deutschland und die dafür notwendigen Investitionen unter einen Hut zu bringen, wird damit für Kunden, Nutzer und Industrie sehr schwierig.
Nun könnte man argumentieren: Das GEG ist durch den Bundestag, endlich können alle Beteiligten aufatmen. Doch die Frankfurter Rundschau schreibt: „Die Unternehmen der Heizungsbranche sind weiter verärgert".
Dr. Oliver Ruch: Mit unserer Stellungnahme zum GEG haben wir die Position von EWE bereits kommuniziert. Für uns stellt sich die Frage: Auf welche Technologien können die Verbraucher zurückgreifen? Aus heutiger Sicht haben Erdgaskessel mittelfristig eine Zukunft. Das stört natürlich den Hochlauf der Wärmepumpen und damit sind auch die Zahlen rückläufig. Für uns stellt sich auch die Frage, auf welche Infrastruktur wir in Zukunft setzen wollen. Methan? Wasserstoff? Oder die elektrische Infrastruktur, damit wir so Wärmepumpen betreiben können? Das muss man verstehen: Wenn wir in unsere Infrastruktur eingreifen, dann ist das ein massiver Schritt für uns. Das sind hohe Investitionen, und dafür brauchen wir Klarheit. Die haben wir nicht – und die Wärmepumpenhersteller auch nicht.
Warum wäre es ein Problem, wenn weniger Wärmepumpen verkauft würden?
Dr. Oliver Ruch: Es wäre in erster Linie ein volkswirtschaftliches Problem, wenn sich deutsche Hersteller nicht etablieren und der Markt nach Nordamerika oder Asien abwandert. Wir waren in der Vergangenheit abhängig von russischem Gas. Wenn Wärmepumpen woanders produziert und gehandelt werden, schaffen wir eine neue Abhängigkeit. Die Wärme- und Energiewende hat nicht nur einen ökologischen Hintergrund, sondern wir wollen damit auch ökonomisch auf dem Weltmarkt punkten. Deshalb gehen wir voran, weil wir sehen, dass wir mit diesen Technologien auch unseren eigenen Markt stärken können. Wir brauchen neue, wettbewerbsfähige Technologien, und das sind die erneuerbaren Energien.
Andere Länder in Europa scheinen sich mit dem Thema leichter zu tun. Woran liegt das?
Dr. Oliver Ruch: In anderen Ländern sind Wärmepumpen und Strom wesentlich günstiger. Mit dem ursprünglichen Gesetz hatte man gehofft, mehr Wärmepumpen auf den deutschen Markt zu bringen. Das ist jetzt nicht der Fall.
Ein wichtiger Bestandteil des GEG ist die kommunale Wärmeplanung. Es ist vorgesehen, dass Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern ab Mitte 2026 und kleinere Kommunen ab Mitte 2028 einen Wärmeplan erstellen müssen. Ein Gesetz ist in Arbeit. Warum steht es noch nicht?
Dr. Oliver Ruch: Das GEG und die kommunale Wärmeplanung sollen aufeinander abgestimmt werden, das ist sinnvoll. Es liegt derzeit nicht am Gesetz, das in Arbeit ist, sondern es liegt einfach daran, dass sich das GEG durch die Bundesverfassungsbeschwerde verzögert hat. Voraussichtlich werden beide zum 1.1.2024 in Kraft treten, so dass das GEG und das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung miteinander harmonieren können.
Wie wahrscheinlich ist es, dass das Gesetz nach dem Hin und Her der letzten Monate noch einmal nachgebessert wird?
Dr. Oliver Ruch: Der Bundesrat hat dem Gesetz bereits Ende September 2023 zugestimmt. Damit ist das Gesetz juristisch nicht mehr angreifbar. Dennoch: Der ERK, Expertenrat für Klimafragen, hat festgestellt, dass das, was die Bundesregierung mit dem GEG vorhat, bei weitem nicht ausreicht, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Man hat errechnet, dass es bis 2030 eine deutliche Untererfüllung geben wird. Wenn wir uns die Vorgaben aus Brüssel anschauen, etwa den EU-Plan „Fit for 55" zur europäischen Klimaneutralität 2050 oder die Gebäudeeffizienzrichtlinien, dann muss das GEG 2024 oder spätestens 2025 noch einmal angepasst werden, um diesen Rückstand aufholen zu können.
Die Information, dass es 2030 diese Lücke geben wird, muss den Abgeordneten im Bundestag doch vorgelegen haben. War die Debatte nur ein politisches Tauziehen?
Dr. Oliver Ruch: Tauziehen ist sehr salopp formuliert. Letztlich geht es um politische Positionen. Das Problem wird sein: Wenn ein wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland die selbst gesteckten Klimaschutzziele bis 2045 nicht erreicht – welches Signal sendet das an die anderen Länder der EU?
Was bedeuten die Regelungen des neuen Gesetzes ganz konkret für Verbraucherinnen und Verbraucher? Muss ich ab 2024 meine Heizung gegen eine Wärmepumpe tauschen? Welche Fristen gelten? Und gibt es für den Umtausch staatliche Förderungen? Das EWE-Magazin hallonachbar.de erklärt alle wichtigen Fakten.