Oldenburg, 28. April 2022. EWE hat in einem durch zwei Krisen geprägten Geschäftsjahr unterhalb der eigenen Prognoseerwartung abgeschlossen. Konnte der Konzern die Corona-Auswirkungen durch die fortgeführte konsequente Reaktion auf die Pandemie im Geschäftsjahr ausgleichen, so hatte der im zweiten Halbjahr zusätzlich dazugekommene enorme Preiseffekt im Energiebereich deutliche Auswirkungen auf die EWE-Bilanz. Das Geschäftsjahr 2021 ist daher geprägt durch Einmaleffekte mit teilweise sehr hohen Auswirkungen.
Der Umsatz stieg vor allem aufgrund der kühlen Witterung in den ersten Monaten des Jahres auf 6.119,8 Millionen Euro (Vorjahr: 5.624,6 Mio. Euro). Die anteilig vorgenommene Berücksichtigung des Gemeinschaftsunternehmens Alterric erbrachte eine Umsatzsteigerung, die aber aufgrund sehr windschwacher Monate geringer ausfiel als prognostiziert. Die wesentliche Kennzahl für die operative Geschäftstätigkeit – das Operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (OEBIT) – lag mit 354,7 Millionen Euro mit einem Rückgang von 19,8 Prozent unter dem Ergebnis des vorherigen Geschäftsjahres (442,0 Millionen Euro). Das Konzernperiodenergebnis hat sich aufgrund der großen Sondereffekte (Stichtagsbewertung der Derivate) mit 597,5 Millionen Euro im Vorjahresvergleich mehr als verdoppelt (293,9 Millionen Euro). Die Investitionen haben sich von 656,7 Millionen Euro im Vorjahr auf 1.171,9 Millionen Euro im Jahr 2021 aufgrund der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Alterric ebenfalls mehr als verdoppelt.
Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender der EWE AG: „Der Energiemarkt ist derzeit sehr starken Turbulenzen ausgesetzt, die sich bereits im Geschäftsjahr 2021 deutlich zeigten. Die Energiepreise haben sich im letzten Jahr bereits vervielfacht und dadurch 39 Energieanbieter zur Geschäftsaufgabe gebracht. Wir haben als Grundversorger mehrere zehntausend Kunden zusätzlich aufgenommen und dafür gesorgt, dass es in den Wohnungen und Häusern hell und warm bleibt. Die enormen Preiseffekte und deren Auswirkungen auf den Energiehandel zeigen sich in vielen Bereichen unserer Bilanz und stellen teilweise ein etwas verzerrtes Bild dar. In der Gesamtbetrachtung hat der EWE-Konzern in einem sehr herausfordernden Jahr 2021 mit Corona-Pandemie und Energiepreiskrise ein solides Ergebnis erreicht.“
Weiter führt er aus: „Mit Alterric haben wir im vergangenen Jahr ein führendes Unternehmen in Europa für Grünstromerzeugung im Bereich Wind-Onshore gegründet. Mehrere neue Windparks sind bereits im Jahr 2021 neu errichtet und in Betrieb genommen worden. Unsere Projektpipeline sieht über 9.000 Megawatt an neu zu errichtender installierter Leistung vor. Die aktuelle Situation zeigt uns, wie wichtig eine dezentrale und nachhaltige Energieversorgung ist. Wir sind davon überzeugt, dass wir den Windkraft-Ausbau noch schneller und ohne bürokratische Hürden vorantreiben müssen. Auch bei der Digitalisierung des Nordwestens sind wir im vergangenen Jahr vorangekommen. Das Gemeinschaftsunternehmen Glasfaser Nordwest hat bis zum Jahresende für über 183.000 Haushalte die Möglichkeit geschaffen, einen Glasfaserhausanschluss zu erhalten. Und als EWE haben wir uns an über 100 geförderten Glasfaserausbaumaßnahmen beteiligt mit dem Schwerpunkt der Anbindung von Schulen und Gewerbebetrieben. Zusätzlich haben wir fast 100 Neubaugebiete mit Glasfaserleitungen ausgestattet.“
Energiepreiskrise im Jahr 2021 noch aufgefangen
Auch im Jahr 2021 konnten dank der Fortführung des konsequenten Krisenmanagements weitreichende Folgen der Corona-Pandemie verhindert werden. Mit über 5.000 Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice und konsequenten Schutzmaßnahmen für die Bereiche der kritischen Infrastruktur ist es dem EWE-Konzern gelungen, ohne Einschränkungen in der Versorgungslage durch die Pandemie zu kommen. Insgesamt zeigte sich eine deutliche wirtschaftliche Erholung im vergangenen Jahr und ein daraus resultierender höherer Energieverbrauch.
„In der zweiten Jahreshälfte begann der Energiepreisanstieg mit enormen Turbulenzen zum Jahreswechsel“, erläutert Stefan Dohler, „aufgrund unserer langfristigen Einkaufsstrategie im Gas- und Strombereich konnten wir auf die Vervielfachung der Energiepreise zum Jahreswechsel noch mit moderaten Preisanpassungen reagieren – obwohl wir im Herbst zusätzliches Erdgas für die Versorgungssicherheit gekauft und gespeichert haben. Erst durch die sehr hohe Anzahl an zusätzlichen Kunden, die aufgrund des Lieferstopps einiger Energieanbieter zu uns in die Grundversorgung kamen, waren wir zu einer weiteren Preisanpassung in diesem Jahr gezwungen. Die aktuelle Lage mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine verschärft die Preissituation zusätzlich.“
Versorgungssicherheit im Fokus – mehr Alternativen schaffen
Bedingt durch die Kriegssituation in der Ukraine steht derzeit für EWE die Versorgungssicherheit mit Energie an erster Stelle. EWE hat in der Vergangenheit bereits frühzeitig auf alternative und nachhaltige Energieerzeugung gesetzt und geht diesen Weg nun konsequent weiter. Auch Energiespartipps und -hinweise an alle Verbraucher sind für EWE selbstverständlich und werden seit Jahren praktiziert.
Um die kurzfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten, hat EWE vorsorglich im Herbst des vergangenen Jahres zusätzliche Mengen Erdgas eingespeichert. Die bisher milde Witterung im Frühjahr sorgte zusätzlich für weniger Gasnachfrage. Daher war und ist die aktuelle Heizperiode umfänglich abgesichert.
„EWE arbeitet intensiv an kurz-, mittel- und langfristigen Lösungen, um die Energieversorgung sicherzustellen. Wichtig ist, dass wir die Energieversorgung auf eine breite Basis stellen. Die enorme Abhängigkeit von einem Anbieter wie Russland ist ein Fehler und darf sich nicht wiederholen“, so Stefan Dohler, „aktuell wäre ein Lieferausfall bei Gas für Deutschland nicht zu kompensieren.“
Der EWE-Konzern prüft derzeit auch Möglichkeiten, das Kohlekraftwerk in Bremen-Hastedt gegebenenfalls länger als bis 2023 zu nutzen, sofern dieses für eine Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit notwendig sein sollte. Eine weitere Möglichkeit, kurzfristig Teile des jetzt noch genutzten russischen Erdgases zu ersetzen, ist LNG. Die in Deutschland für die Löschung von Flüssiggastankern notwendigen Terminals an der deutschen Nordseeküste werden derzeit geplant. EWE ist in die vom Land Niedersachsen initiierte Task-Force zum beschleunigten Aufbau und Anbindung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven direkt eingebunden. Aufgabe des EWE-Konzerns wäre es, das angelandete Flüssiggas zu speichern und die Gasverteilung im Nordwesten sicherzustellen. „Wir können bei der Anbindung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven auf vorhandene Infrastruktur zurückgreifen. Daher benötigt EWE nur eine kurze zusätzliche Gasleitung mit einer Länge von 45 Kilometern, um unsere Speicher unser Netzgebietes in Niedersachsen anzubinden“, berichtet Stefan Dohler, „sehr wichtig ist bei allen Maßnahmen für das LNG-Terminal, dass die Infrastruktur zukünftig grünen Wasserstoff aufnehmen kann und wir damit einen kurzfristigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten und langfristig die Grundlagen für die klimaneutrale Zukunft legen.“
Klimaziel bleibt – Neubaugebiete ohne Gasanschluss
Teil der langfristigen Lösungen ist die Wärmewende. Derzeit ist Erdgas wesentlicher Energieträger für Wärme. „Wir müssen unsere Wärmesysteme umbauen – das heißt, uns vom reinen Heizen mit Erdgas lösen und auch hierfür verstärkt grünen Strom nutzen. Die erneuerbare Stromproduktion muss massiv hochgefahren werden – im Bereich Wind und Sonne müssen wir schneller ausbauen. Und wir benötigen eine Wasserstoffwirtschaft, die ein viel breiteres Beschaffungsspektrum eröffnet“, verdeutlicht Stefan Dohler, „in allen Bereichen ist EWE derzeit intensiv engagiert. Wir bauen massiv Windkraftanlagen an Land aus und benötigen hier auch behördliche Unterstützung in den oftmals sehr schleppenden Genehmigungsverfahren. Im Nordwesten wollen wir eine Wasserstoffwirtschaft entwickeln und decken die gesamte Wertschöpfungskette ab. Und ab dem kommenden Jahr wird es zunehmend EWE-Standard sein, Neubaugebiete nicht mehr mit Gasanschlüssen zu versorgen. Mit all diesen Maßnahmen kommen wir unserem Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein, weiter näher.“
Im Jahr 2021 hat EWE die CO2-Emissionen in den direkt beeinflussbaren Bereichen weiter gesenkt. Die spezifischen CO2-Emissionen der Stromproduktion in Gramm CO2 pro Kilowattstunde halbierte sich nahezu im Jahresvergleich von 265,34 g CO2/kWh auf 134,07 g CO2/kWh (-49,47 Prozent). Wesentliche Gründe dafür sind die Stilllegung eines Kohlekraftwerks in Bremen und die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Alterric. Die Stromerzeugungsmenge aus Windenergie stieg von 1.447.410 MWh im Jahr 2020 um 168,4 Prozent auf 3.885.315 MWh im Jahr 2021.
Entwicklung wesentlicher Kennzahlen im Geschäftsjahr 2021
Wolfgang Mücher, Finanzvorstand der EWE AG, erläutert zur Entwicklung des OEBIT: „Unser Ergebnis wird durch windschwache Monate belastet wie auch durch die Optimierung der Gasspeicherfahrweise, die zu einer Ergebnisverschiebung zugunsten des Geschäftsjahres 2022 führt. Gasmengen, deren Ausspeicherung im Jahr 2021 vorgesehen waren, wurden in den Speichern belassen und erst im Jahr 2022 ausgespeichert. Dieser Effekt wirkte belastend auf das OEBIT des Jahres 2021 und positiv auf das OEBIT des aktuellen Jahres.“
„Die enormen Preisanstiege zum Jahresende führten zum sehr hohen Konzernperiodenergebnis. Die Stichtagsbewertung unserer Energiebezüge lassen das Ergebnis stark ansteigen. Dabei handelt es sich aber nur um einen rein theoretischen Wert, da wir unsere Energiebezüge zu festen Preisen bereits weiterverkauft haben. Es ist kein kassenwirksamer Gewinn“, so Wolfgang Mücher. Das Konzernperiodenergebnis bildet neben dem operativen Geschäft auch nicht-operative Effekte sowie das Zinsergebnis und Steuern ab.
Zur Umsatzentwicklung und zur Bilanzsumme erläuterte Mücher: „Der Konzernumsatz im Jahr 2021 stieg aufgrund des höheren Gasabsatzes in den ersten Monaten des Vorjahres und der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung. Durch die erstmalige bilanzielle Berücksichtigung des Gemeinschaftsunternehmens Alterric und die genannten Bewertungen der Energiebezugsgeschäfte hat sich die Bilanzsumme verdoppelt.“
Im Durchschnitt waren im Geschäftsjahr 2021 9.575 Mitarbeitende (2020: 9.141 Mitarbeitende) im Konzern beschäftigt.
Der Einzelabschluss der EWE AG nach HGB beträgt für das Geschäftsjahr 2021 185,4 Millionen Euro (2020: 186,9 Millionen Euro). Daher sprechen Vorstand und Aufsichtsrat einen Dividendenvorschlag von 84,1 Millionen Euro (Vorjahr 186,9 Millionen Euro) aus. Dieser niedrige Vorschlag ist eine Reaktion auf die derzeit hohen Risiken und Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.
„Die Unternehmensleitung bedankt sich ausdrücklich bei seinen Gesellschaftern für diese umsichtige Handlungsweise bezüglich der Dividendenausschüttung. Die besonderen Entwicklungen der Energiepreise haben enorme Auswirkungen auf unsere Bilanzen. Dem aufgrund der Stichtagsbewertung sehr hohen Konzernperiodenergebnis nach IFRS, stehen sowohl ein niedriges HGB-Ergebnis als auch eine negative Steuerbilanz gegenüber. So sorgen die Bewertungseffekte bei der EWE Trading dafür, dass bei EWE für das Geschäftsjahr 2021 keine Gewerbe- und Ertragssteuer anfallen“, so Wolfgang Mücher.
Ausblick 2022
EWE fokussiert sich in diesem Geschäftsjahr auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. Eine Ergebnissteigerung wird vor allem im Bereich Windkraft Onshore erwartet. Im Markt-Bereich, der sehr von den Turbulenzen für Strom- und Gaspreise geprägt ist, erwartet das Unternehmen für 2022 ein positives Ergebnis. „Kurzfristig steht die Versorgungssicherheit im Vordergrund, die in den kommenden Jahren notfalls auch zu Lasten der kurzfristigen EWE-CO2-Bilanz gewährleistet wird. Das ändert aber nichts an unserem langfristigen Klimazielen und unserem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren“, so Stefan Dohler.
Termin
Den Bericht zum ersten Halbjahr veröffentlicht EWE am 29. September 2022.
Eine Übersicht der wichtigsten Kennzahlen finden Sie in der PDF-Version der Meldung.
EWE mit solidem Ergebnis in turbulentem Markt
• Geschäftsjahr 2021: Umsatz über Vorjahr, operatives Ergebnis durch Sondereffekt aufgrund der Gasspeicherfahrweise rückläufig
• Turbulenter Energiemarkt zeigt deutliche Auswirkungen
• Versorgungssicherheit steht 2022 im Fokus
• Wende im Gasnetzausbau eingeleitet
Ansprechpartner
Mathias Radowski
Pressesprecher